Abitur – Lehre – Studium: Grenzen des Kindesunterhalts

Nach § 1620 Abs. 2 BGB umfasst der Unterhalt des Kindes auch die Kosten einer angemessenen Berufsausbildung. Dabei wird eine Berufsausbildung geschuldet, die der

  • Begabung und den Fähigkeiten,
  • dem Leistungswillen und
  • den beachtenswerten Neigungen des Kindes am besten entspricht und sich
  • in den Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern hält.

(BGH, Urt. Vom 29. Juni 1977 – IV ZR 48/76).

Auch in Fällen, in denen zunächst die Hochschulreife auf dem herkömmlichen schulischen Weg (Abitur) erlangt, danach eine Lehre absolviert und erst im Anschluss ein Studium aufgenommen wird, kann Ausbildungsunterhalt geschuldet sein. Von der Unterhaltspflicht erfasst wird dabei allerdings grundsätzlich nur ein einheitlicher Ausbildungsgang. Stehen also die Ausbildungsschnitte in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang und ergänzt das Studium die Lehre sinnvoll, ist dem Kind auch bis zum Abschluss des Studiums Unterhalt zu zahlen – so der BGH in seiner Entscheidung vom 03. Mai 2017 (XII ZB 415/16).

Ein Studium ist dabei nicht allein wegen der Abiturnote und den damit zusammenhängenden Wartezeiten unangemessen. Das Kind muss allerdings die bei einem mit Numerus Clausus versehenen Studiengang notenbedingten Wartesemester durch eigene Mittel sicherstellen. Wenn zwischen Lehre und Studium für die Überbrückung innerhalb des erlernten Berufes gearbeitet wird, fehlt es nicht am zeitlichen Zusammenhang und die Unterhaltspflicht besteht grundsätzlich.  Auch ist das Kind ist nicht verpflichtet, seinen Ausbildungsplan mit dem Unterhaltspflichtigen abzustimmen.

Der Unterhaltsanspruch beruht jedoch auf Gegenseitigkeit. So muss das Kind mit Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit in angemessener und üblicher Zeit die Berufsausbildung aufnehmen und beenden. Ein vorübergehendes leichteres Versagen ist gleichwohl unschädlich.

Das Gesetz sieht dabei keine feste Altersgrenze vor, ab derer der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt erlischt. Gleichwohl ist zu ermitteln, ob den Eltern unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls die Gewährung von Ausbildungsunterhalt überhaupt noch zugemutet werden kann. Maßgebend ist dabei auch, ob und inwieweit sie damit rechnen mussten, dass ihr Kind noch weitere Ausbildungsstufen anstrebt. So kann der Zumutbarkeit zum Beispiel entgegenstehen, dass das Kind seine Eltern zu lange über seine Ausbildungspläne in Unkenntnis lässt.

Zu den schützenswerten Belangen der Unterhaltspflichtigen gehört, dass sie sich in der eigenen Lebensplanung darauf einstellen können, wie lange die Unterhaltslast noch andauern werde. Insbesondere auch das Eingehen von längerfristigen finanziellen Dispositionen soll ermöglicht werden. Je älter der Auszubildende bei Abschluss seiner praktischen Berufsausbildung ist, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit der Unterhaltspflicht.

Hausmann, Brachwitz

(Dieser Beitrag wurde auch auf anwalt.de veröffentlicht.)