Die Anfechtung eines Vergleichs über den Zugewinnausgleich wegen arglistiger Täuschung

Verfügt ein Ehegatte über Sonderwissen und verschweigt dieses in den Vergleichsverhandlungen um den Zugewinnausgleich, indem er dem anderen offensichtlich nicht bekannte besonders wichtige Tatsachen nicht offenbart, so ist ein daraufhin geschlossener Vergleich gegebenenfalls anfechtbar.

Im Falle einer Scheidung kann der Zugewinnausgleich u.a. im Rahmen eines Prozessvergleichs vorgenommen werden. Das Oberlandesgericht Hamm stellte in seinem Beschluss vom 17. Juni 2016 (3 UF 47/15) heraus, dass derjenige, der vom Prozessgegner durch arglistige Täuschung zum Abschluss eines Vergleichs bestimmt worden ist, ein Anfechtungsrecht nach § 123 Abs. 1 BGB hat. Arglistig täuscht dabei derjenige, der bei einem anderen vorsätzlich einen Irrtum hervorruft, um ihn zum Abschluss des Vergleichs zu veranlassen. Diese Täuschung kann sowohl durch aktive Handlungen als auch durch Unterlassen begangen werden.

Grundsätzlich sind die Beteiligten selbst dafür verantwortlich, die Rechtslage zu überprüfen und sich die notwendigen Informationen bezüglich des Zugewinnausgleichs zu beschaffen. Daher besteht keine allgemeine Rechtspflicht dazu, den anderen Teil über alle Einzelheiten und Umstände aufzuklären, die für seine Willensentschließung von Bedeutung sein könnten. Überlegenes Wissen kann ohne weiteres zum eigenen Nutzen in den Vergleichsverhandlungen verwertet werden. Das Oberlandesgericht Hamm (aaO) macht jedoch deutlich, dass ausnahmsweise eine ungefragte Aufklärungs- und Offenbarungspflicht gegenüber dem Prozessgegner besteht, wenn es sich um diesem offensichtlich nicht bekannte besonders wichtige Tatsachen handelt, welche für dessen Willensbildung von ausschlaggebender Bedeutung sind. Bedeutend sind solche Tatsachen, die den Vergleichszweck vereiteln bzw. erheblich gefährden können oder geeignet sind, dem Gegenüber erheblichen wirtschaftlichen Schaden zuzufügen. Die Partei mit dem Wissen über gewichtige Tatsachen muss diese in solchen Fällen ungefragt offenbaren.

Insbesondere bei Immobilien gehen die Ehegatten im Zugewinnausgleichsverfahren häufig irrig davon aus, dass Miteigentum am Haus oder Grundstück bestehe. Wegen der Werthaltigkeit von Immobilien kann die falsche rechtliche Einordnung zahlenmäßig zu erheblichen Differenzen führen. Erlangt eine der Parteien Wissen über die Alleineigentümerstellung, muss sie den vorherigen Irrtum aufklären, denn es handelt sich um eine bedeutende Tatsache, die erheblichen Einfluss auf den Abschluss eines Vergleichs haben kann.

Ein reiner Rechtsirrtum der Parteien ohne jeden Irrtum über Tatsachen bzw. die mangelnde Aufklärung über einen solchen Rechtsirrtum hat keine Auswirkung. Eine Unwirksamkeit des Prozessvergleichs durch die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung oder Irrtums kommt dann nicht in Betracht. Es liegt daher an den Parteien, sich kundigen Rechtsbeistand zu suchen, um die rechtliche Lage fehlerfrei einzuordnen.

Die Darlegungs- und Beweislast für die Umstände der arglistigen Täuschung liegt beim Anfechtenden. Bei einer erfolgreichen Anfechtung entfällt die materielle Wirkung des Vergleichs von Anfang an und auch eine prozessuale Wirkung besteht nicht. Das Zugewinnausgleichsverfahren ist dann noch nicht beendet und wird fortgesetzt. In Einzelfällen ist es dem Anwalt also möglich, ein vermeintlich abgeschlossenes Verfahren zum Zugewinn neu aufzurollen und ein für den Mandanten günstigeres Ergebnis zu erzielen.

Wettengel, Brachwitz

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