Private Krankversicherungsbeiträge von Restschuldbefreiung erfasst (OLG Hamm vs. Schleswig-Holsteinisches OLG)

Immer wieder versuchen Versicherungsgesellschaften, erstinstanzlich häufig mit Erfolg, Ansprüche auf Krankenversicherungsbeiträge gegen Insolvenzschuldner durchzusetzen, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind. Dabei wähnen sie sich durch die Rechtsprechung der Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts unterstützt. In seinem Beschluss vom 30.12.2014 äußert das Schleswig-Holsteinische OLG lapidar, die private Krankenversicherung sei ein sogenanntes insolvenzfreies Schuldverhältnis. Demzufolge müssten auch Beitragsschulden, die Zeiträume vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens betreffen, als insolvenzfrei angesehen werden, sie beträfen nicht die Insolvenzmasse. Das sei die Rechtsfolge aus der analogen Anwendung von § 850 b Abs. 1 Nr. 4 ZPO auf das Insolvenzrecht. Die Richter halten ihr Urteil für eine logische Folge der BGH-Rechtsprechung (Schleswig-Holsteinisches OLG, 16 W 168/14).

Dieser Rechtsansicht des Schleswig-Holsteinischen OLG ist nicht zu folgen. Zum einen beschäftigte sich das richtige Urteil des Bundesgerichtshofs, auf welches das Oberlandesgericht Bezug genommen hat, mit dem Schicksal von Krankenversicherungsbeiträgen, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens  fällig geworden waren (BGH IV ZR 163/13).

Zum anderen haben sich die Oberlandesrichter über die weitreichenden Folgen einer solchen Rechtsansicht offenbar keine Gedanken gemacht. Folgte man ihrer Meinung, könnte der Insolvenzschuldner wegen der vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens fälligen Krankenversicherungsbeiträge keine Restschuldbefreiung erlangen, denn gemäß § 301 Absatz 1 Satz 1 InsO wirkt die Restschuldbefreiung nur gegenüber Insolvenzgläubigern. Gemäß § 38 InsO sind Insolvenzgläubiger wiederum nur die Gläubiger, deren Forderung die Insolvenzmasse betrifft. Diese Ansicht steht der gesetzgeberischen Intention entgegen. Die Regelungen der §§ 36 Absatz 1 Satz 1 InsO, 850e Absatz 1 Nr. 1b ZPO dienen nämlich lediglich dem Schutz des privat krankenversicherten Schuldners, dem im Insolvenzverfahren -ebenso wie dem gesetzlich Versicherten- die Aufrechterhaltung seines Krankenversicherungsschutzes ermöglicht werden soll. Keinesfalls dient der Verweis auf § 850 e Abs. 1 Nr. 1 b ZPO dem Schutz des privaten Krankenversicherungsträgers, der seine vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen Prämienforderungen durchsetzen möchte. Den vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen Zahlungsrückstand hat die Klägerin, wie jeder andere Gläubiger auch, im Wege des Insolvenzverfahrens geltend zu machen (OLG Hamm, 20 W 9/12).

Mit Beschluss vom 08.08.2016 bestätigte nun das OLG Hamm seine richtige Rechtsansicht noch einmal (20 U 80/16).  Der Insolvenzschuldner kann auch hinsichtlich der vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig gewordenen privaten Krankenversicherungsprämien Restschuldbefreiung erlangen.

Hausmann

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